Brezelingen - Opa Schmälzle erzählt aus seinem Leben.
Brezelingen / Jugendhaus (brez) - Opa Schmälzle hat am gestrigen Mittwoch der Brezelinger Dorfjugend die Leviten gelesen. Im Jugendhaus - gleich neben der Kirche - hat der 97jährige Dorfälteste der Dorfbrut aufgetischt, wie gut es ihnen heute gehen würde. „Wir waren früher so arm, dass wir aus den Ackersteinen die Fossilien ausgekocht haben, um überhaupt einmal in den Genuss einer Fischsuppe mit Meeresfischgeschmack zu kommen. Salz hatten wir auch keines, das was in den Steinen war, musste reichen“, berichtete er mit halb erhobenem Zeigefinger – den er immer mal wieder mit seinem Mittelfinger verwechselte. „Im Winter hatten wir zwar Holz um zu heizen, aber kein Geld für Streichhölzer. Das waren verflucht kalte Monate“, krächzte er beinahe vorwurfsvoll, „wir mussten im Gemeindehaus öfter's mal enger zusammenrücken, um uns gegenseitig zu wärmen. Vor allem die Frauen waren immer sehr verfroren, und haben sich dieses Gruppenkuscheln sogar bis in den Sommer hinein gewünscht“, ergänzte er nachdenklich und grinste dabei ein bisschen verstohlen. „Damals hatten die Brezelinger Familien noch sehr viele Kinder. Als dann die ersten erschwinglichen Streichhölzer ins Dorf kamen, heizten die Menschen zu Hause, und es wurden immer weniger Kinder geboren“, fügt Schmälzle Senior hinzu, und warf einen prüfendem Blick in die Runde. Keiner der Jugendlichen sagte ein Wort. Offenbar waren sie sprachlos.
Aus solchen Fossilien haben sich die Schwaben auf der Alb früher Fischsuppe gekocht. So arm waren die Leute damals. |
Opa Schmälzle ist zwar schon
steinalt, trotzdem lässt er sich
nicht von jedem auf dem Kopf
herumtanzen.
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Erst jetzt bemerkten sie, dass auf dem Podest vor ihnen ein alter Mann saß, mit Händen und Füßen durch die Luft zappelte, und auf sich aufmerksam machen wollte. Sie waren erstaunt, dass es so etwas tatsächlich in echt gab, und nicht nur auf Videos im Internet. Sozialarbeiterin Irmgard M., reagierte sofort. Sie zog Opa Schmälzle vom Stuhl und legte in behutsam auf den Boden. Nachdem sie ihm eine halbe Flasche Brezelinger Kräuterschnaps (welcher sich im Erste-Hilfe-Schrank befand) eingeflößt hatte, wurde das greise Energiebündel Schmälzle wieder ruhiger. Sein Blutdruck senkte sich wieder deutlich, und er begann abermals zu lächeln. Nach wenigen Minuten ging es ihm wieder gut. Zum Glück!
Bestatter Schäufele ist zurzeit nämlich in Kur, und kommt erst in drei Wochen wieder zurück nach Brezelingen. Abgesehen davon, gibt ein echter Brezelinger nicht so schnell den Löffel ab. Gevatter Tod könnte Bücher über seine Erfahrungen mit alten Schwaben von der Alb schreiben. Die waren schon immer sehr zäh in den Verhandlungen. Auf die Alb traute sich der Sensenmann - schon immer - nur sehr ungern. Dort oben wurde seine Sense immer besonders schnell stumpf. Aber das nur am Rande.
Opa Schmälze konnte heute schon wieder Fahrrad fahren. Leider hat er danach nicht mehr nach Hause gefunden. |
Opa Schmälzle freute sich sehr über den gestrigen Abend, auch wenn er vom Applaus nicht viel mitbekam. Seine Brille lag irgendwo am Boden, und sein Hörgerät hatte er zu Hause vergessen. Doch eines nahm er sehr intensiv wahr, und somit auch mit nach Hause – den geliebten Nachgeschmack vom Brezelinger Kräuterschnaps in seinem zahnlosen Mund. Das machte ihn sehr glücklich und zufrieden. Alleine schon dafür hatte sich der Abend für ihn gelohnt. Nur eines fehlte ihm noch zum vollkommenen Glück - sein Gebiss!
Dieses hatte sich nach seinem Flug durch den Raum wohl irgendwo in einer Ecke des Jugendhauses festgebissen, und wartete nun darauf, gefunden zu werden - oder auch nicht. Gestern Abend war es zumindest wie vom Erdboden verschluckt. Keiner konnte es mehr finden. Wenn es nur annähernd so ist wie sein Besitzer, könnte sehr gut sein, dass es sich versteckt hatte, um sich nachts selbstständig auf die Suche nach dem Erste-Hilfe-Schrank zu machen, und nach der Flasche Brezelinger Kräuterschnaps zu suchen. Rein aus Reflex natürlich! Ganz nach dem Motto: Wie der Herr, so sein Gescherr …
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